Dienstag, 9. März 2010

Was ich in die Kiste packe ...

... oder als unersetzlich einstufe und was von daher den überschaubaren Platz in meinem neuen Heim, dem Wohnwagen mit mir teilen wird und darf, damit werde ich mich in den kommenden Wochen hier beschäftigen. Wozu ausgesprochen auch die Frage zählt, welchen Ballast es ansonsten und überhaupt abzuwerfen gilt beim Aufbruch in ein "bewegtes" Leben, welches zu führen ich mich entschlossen habe. Nun, manche Frauen beschert der Wechsel Hitzewallungen und schlaflose Nächte, mir wird er erstmal mein Leben erleichtern. Indem ich aufgefordert bin, mich von allem zu trennen was eine Frau nicht stolz, sondern lediglich alt und schwer macht.

Dank der Auseinandersetzungen der letzten Tage um den Namen dieses Blogs bin ich denn auch auf einen dicken Batzen gestossen, den ich unter anderen Umständen sicherlich übersehen hätte. Wie das so ist mit den fetten Platzhaltern im Leben, an die eine sich schon ausgiebig gewöhnt hat.

Meiner Lebtag war ich eine, immer auf der Suche nach dem Stückchen unbesetzten Raum, in dem so eine wie ich, die in (fast) keine Schublade so richtig passt eben richtig ist. Dass das so war muss wohl am eklatanten Mangel geeigneter Spiegelflächen gelegen haben. Denn bekanntlich weiss eine erstmal nur deshalb, welche sie ist weil sie sich in anderen wiederfindet. Oder eben nicht. Musik hören wir, weil wir die Resonanzen wahrnehmen. Meine Musik war erstmal stumm. Und weil die Gegenübers in der Nähe ungefähr so zahlreich waren wie die drei goldenen Nasenhaare von des Teufels Großmutter bin ich losgezogen in die Welt als eine, die ihr Glück und Gleichgesinnte suchte.

Nun ist es so, dass eine als große (190 cm) und körperbehinderte Frau mit einem nicht eben durchschnittlichen Intelligenzquotienten (ohje, dass sagt frau doch nicht öffentlich!) und einer eher ungewöhnlich zu nennenden Biografie so schnell keine findet, die ihr nicht unmittelbar und a priori (was VOR jeder Erfahrung bedeutet!) unterstellen, dominant, herrschsüchtig und besitzergreifend zu sein. Angenommene Überlegenheit, und sei sie lediglich von der physische Größe her abgeleitet, scheint noch immer angetan, dass sich der Eine oder die Andere automatisch klein ud unterlegen fühlen.

Es ist ein Automatismus, der hier einsetzt und seine Gründe wahrscheinlich in irgendwelchen vorevolutionären Erfahrungen hat: Obacht, Vorsicht, da kommt ein großes Tier! Und weil groß gleich gefährlich steigt der Adrenalinspiegel in die Höh und ermuntert zu Flucht oder Angriff. Dabei sind, mal rein biologisch gesehen, die größten Viecher die gutmütigsten. Oder hat einEr schon je einen Blauwal gesehen, der sich auf einen kleinen Menschen stürzt? Nein, die Geschichte gibt es, dank Mobby Dick, nur anders herum.

Alle meine Bemühungen, so freundlich, entgegen kommend, friedvoll und kooperativ zu sein wie möglich, so wenig Platz wie nur eben geht mit 190 cm und 90 kg in Anspruch zu nehmen und auch immer wieder die Klappe zu halten, damit keiner vor Schreck ins Angriffsbeissen verfällt haben schlußendlich rein gar nichts genützt. Zeit also, den Versuch, harmloser zu erscheinen als ich bin in die Kiste zu packen! Diesem energetischen Aufwand bin ich zukünftig eher nicht mehr gewachsen.

In die selbe Kiste gehören dann auch die Autoritäten. Denen ich mich zuwandte auf der Suche nach Menschen, die wie ich nicht darum herum kommen aus dem Ganzen irgendwie heraus zu stechen, ob sie es nun wollen oder nicht. Vielen bin ich auf diesem Weg begegnet, und viele haben mich mit ihrem Mut zu So-und-nicht-anders-sein gestärkt. Egal, ob das gerade populär war oder als unterste Kategorie menschlicher Existenz galt. Viele hatten wie ich dieses Herausgehoben-sein gar nicht freiwillig gewählt. Nur die, die nicht in unseren Schuhen stehen halten das außer-gewöhnliche Sein für ein Geschenk. Für alle anderen ist es wie mit den Schamanen, die sich den Bauch halten vor Lachen, weil einE UnerfahrenEr um Einweihung bittet: WelchEr wählt schon freiwillig einen solchen Weg?!

Ich könnte nie eine Bank ausrauben und auch ein heimliches Rendevouz wäre nur von kurzer Dauer. Auf jeder Straße finden sich mindesten 10 Leute, die mich anstarren, als sei ich das siebzehnte Weltwunder und die sicherlich später eine präzise Personenbeschreibung liefern könnten. Lediglich was das Geschlecht angeht würden sie möglicherweise fehl gehen. Denn obwohl mit aussagekräftigen sekundären Geschlechtsmerkmalen gesegnet, bin ich schon in meinen Roaring-Twenties häufiger für einen Mann in Frauenkleidern gehalten worden als für ein waschechtes weibliches Gattungsexemplar. Wahrscheinlich lags an der fehlenden femininen Zurückhaltung. Oder der Absage an die Unsichtbarkeit, mit der jeder Krüppel in der gesundheitsstrotzenden Bundesrepublik belegt ist. Nein, ich glaube, bei näherer Inaugenscheinnahme würde niemand auf Dauer gerne mit mir tauschen. Und das, obwohl ich ein ausgesprochen glückliches Leben führe.

Denn entgegen der allgemeinen Überzeugung ist blosses "Anderssein" nicht automatisch mit "schlechter dran sein" verbunden. Ganz im Gegenteil eröffnet einem bei genauerem Hinsehen diese Grenzexistenz auch ganz neue Räume. Denn an der Grenze ist nichts mehr selbstverständlich. Keine Zugehörigkeiten, aber auch keine Regeln.

Nun behaupten ja die einen oder anderen, wir bräuchten Regeln, um uns zu orientieren. Oder zumindestens an ihnen zu wachsen. Der letzteren Annahme wäre ich vielleicht nicht ganz abgeneigt. Nur haben Regeln einen entscheidenden Nachteil: Sie setzen Verallgemeinerbarkeit voraus. Und die ist bei Grenzfällen eben definitiongemäß eher nicht gegeben. So nützen Regeln in aller Regel nur denjenigen, denen sie entsprechen und nicht denen, die sich an sie halten. Hübsches Beispiel sind die Steuern. Oder die Finanzmärkte. Oder die Wirtschaft, ganz im Groben und besonders im Allgemeinen.

Als junger Mensch im regelfreien Raum und als junge Frau zu einer Zeit, als das Frausein gerade aus allen Regeln der Kunst ausbrach suchte ich nach Menschen, Frauen, die mir vielleicht hätten Beispiel sein können, wie eine im Undefinierten lebt. Ich glaubte sie gefunden zu haben und machte sie zu meinen Autoritäten.

Weil sie das Stück Weg, das ihres war so unnachahmlich gegangen waren versuchte ich, es ihrem Beispiel gleich zu tun. Was ich dabei übersah (man sehe es meiner Unerfahrenheit nach) war, dass eine einen Weg nicht zweimal auf die gleiche Art gehen kann. Hinterrücks hatte ich sie doch mit mir geschleppt wie eine schleichende Infektion, die Hoffnung auf Verallgemeinerbarkeit.

Und was ich noch tat: ich legte diese Autoritäten, Frauen zumeist, auf ihre Nonkonformität, ihre Uniquarität fest. So einzigartig und außergewöhnlich hatten sie bitte immer zu zu sein. In jeder Lebenslage und zu allen Zeiten.

So wurde, was als Hilfegesuch begonnen und aus dem Mangel an Alternativen geboren worden war zu meinem ganz persönlichen Reglementarium. Zum Maß, an dem ich nur scheitern konnte, denn mein Leben war eben nicht so wie das meiner selbstgezimmerten Autoritäten.

Die Enttäuschung, die ich heute oft spüre angesichts meiner Autoritäten, die dann eben doch nicht so frei, so vorurteilslos, so offen und so herausgehoben sind wie ich sie mir gerne gedacht hätte ist der Spiegel meiner Erwartungen, in den ich heute zu schauen habe. Und in ihm abgebildet ist ein Anspruch, der seiner Grundlage entbehrt. Macht wird Wahn, wenn sie nicht mit Menschlichkeit verbunden ist und dem Wissen um unsere Veranlagung, die Dinge zu kurz und zu wenig zu überschauen. Und Stolz wird zu Fanatismus wenn er nicht mit Güte und Gr0ßzügigkeit daher geritten kommt. Dann können wir die Denkmäler nur stürzen.

So packe ich sie also in die Kiste, all diejenigen Autoritäten, die schon zu lange zuviel Platz in meinem Denken eingenommen haben. Ich packe sie hinzu zu meiner falschen Zurückhaltung und der ungeeigneten Mimikrie. Ein Blatt ist ein Blatt ist ein Blatt. Und ich bin immer noch ich, selbst, wenn ich es schon selbst nicht mehr glaube!

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