Sonntag, 13. Juni 2010

... und weg: Die Landpomeranze auf Reisen

Alors - es ist geschafft! Am Donnerstag, den 10. Juni 2010 um 11:30 Uhr verließen wir, schwer beladen mit Sack und Pack und allem, was wir so für unersetzlich im Leben erachten unseren Hof ... und kamen erst einmal genau 13 km weit: Ein Reifen unserer alten Dame Elsa Knaus, genannt "La Mustang" war platt und sie schaukelte wie ein Kutter bei Windstärke 25. Aber was für ein Glück, dass uns freundliche Tankwärterinnen gleich darauf aufmerksam machten (nicht ohne ein verstohlenes Grinsen ob unserer altersstarken Gefährte) und die Reifenreparatur erst 5 km hinter uns lag. Also Retour!

So kam ich in den genuß, das allererste Mal (von inzwischen einigen!) unser 12 m Doppelgefährt rückwärts (!!) in eine Ausfahrt zu steuern. Ich kann euch sagen: Schönste menopausale Hitzewellen sind nichts gegen die Anwallungen, die mir diese Herausforderung beschert hat! Aber: Ich habe es geschafft, nach dem ich erst mal verstehen musste: Bei einem solchen Gefährt geht alles anders herum! Wollte ich nicht raus aus dem Trott?!

Die Monteure waren die ersten Menschen, die uns auf dieser reise begegneten, und sie waren derart freundlich und hilfsbereit, dass wir es als gutes Omen für diese Reise aufnahmen. Für 13,25 Euro repariereten sie unseren nun nicht mehr platten Reifen nebst Aufbockkurbel, die gleich schon beim Start aus der Fassung gesprungen war (ich sag ja, alles Omen!)und schickten uns mit guten Wünschen um 13 Uhr zurück auf die Piste.

Der ertse Tag brachte uns bis knapp über die französische Grenze: 250 km bei Spitzengeschwindigkeit 80 km/h. Jede Steigung verrringerte unsere Reisegeschwindigkeit auf 40 km/h, so dass wir in den Genuß außerordentlicher Hupkonzerte und Aufwind-schwingende LKW-Überholmanöver kamen. Und wie gesagt, da ich die erste Etappe fuhr, verlor ich sicherlich so an die 14 l Wasser - allerdings aufgepeppt mit 200ml Adrenalin pro Kubikmilliliter. Weil Elsa jedesmal bedrohlich schwankte, wenn wieder einmal so ein König der Straße an uns vorbeirauschte, entschieden wir uns kurzerhand für die Bundes- bzw. Landstraße. Da sind 80 km/h zwar auch noch nicht die Welt, aber es fährt sich doch wesentlich entspannter. Und Berta Benz, die ja schließlich alles ziehen muß, dankte es uns mit gemütlich zuckelndem Tempo.

Dabei konnte ich feststellen, dass es wesentlich mesnchengemäßer ist, so langsam zu reisen. Nicht nur, dass einEr die Landschaft und ihre Veränderungen um einEn herum vierl besser wahrnehmen kann, es fällt auch leichter, innerlich den äußeren Veränderungen hinter her zu kommen. Eine wesentliche Erkenntnis für mich, die ich es ja gewohnt bin, die Dinge im Überschalltempo zu tun - und vor allem hinter mich zu bringen.

Vor Nyon fanden wir einen hübschen Campingplatz - und verbrachten unsere erste Nacht im Wohnwagen. Dank Unwetter und Dauerregen ein echtes akustisches Erlebnis: Wie tausende kleine Nagetierfüße prasselte der Dauerregen auf uns herab - ich bin mir nicht sicher, ob es schließlich die akustische Ermüdung oder die Strapazen des ersten reisetages waren, die mich in einen unruhigen und traumreichen Schlaf sinken ließen ...

Doch am nächsten Morgen strahlte die Welt in reinstem Licht, die Sonne schien und ich trank meinen ersten, selbstfabrizierten Latte Macciato vom Wohnwagenherd, der Göttin-sei-Dank nicht explodierte (auch die Gasflasche stammt sicherlich aus den späten 70ern!). Und zum ersten Mal überkam mich tatsächlich so ein winzig-kleines Freiheitsgefühl, ein "Endlich-geschafft" und auch ein: eigentlich könnte ich immer so weiter fahren und mir die Welt anschauen. Es ist schon eigenartig, wenn du dein ganzes Leben in einem Caravan hinter dir her ziehts - und es eigentlich gerade keinen Ort gibt, an den du zurück könntest. Doch was mir in den letzten Tagen zu Hause fast schon ein bisschen bedrohlich erschien - in dem Moment, wo der ultimativ erste Schritt getan ist, verändert sich dieses "Zu-Hause-Gefühl" sofort. Es geht mit auf Reisen - und stellt sich da ein, wo einEr gerade ist.

Der zweite Tag war zum Glück ein wenig unspektakulärer - keine Rückwärtsfahrten, dafür ein schattiger Rastplatz am See mit mittäglichem Bad, einer kleinen Cafeteria im Ort und einem witzigen Kellner, der Wolfgang die begehrte Esspressotasse aus der Tür hinterherwarf. Hintergrund: Wolfgang wollte unbedingt diese Espressotasse erwerben, doch auf meine Nachfrage gab der Kellner zu verstehen, er habe nicht mehr genug, weil er sie immer "fallen ließe". Also ließ er die Tasse mal kurz "aus der Tür fallen" - und Wolfgang bekam sie geschenkt. Eine wirklich originelle Lösung für ein kompliziertes Problem!

Kaum hatte ich das Lenkrad wieder übernommen (Wolfgang war den Tag übe rgefahren und hatte damit seine Tauffahrt hinter sich gebracht ...) und knapp, nach dem wir entschieden hatten, jetzt sei es genug gefahren, wurden die französischen Sträßchen wieder enger und vor allem - steiler! Ein Eegweiser zu einem Campingplatz führte uns über einen Waldweg hinein ins Gebirge - und dreimal dürft ihr raten, was augenblicklich mit meiner Transpiration geschah. Vor allem: Weit und breit kein Platz, um ein 12m-Gefährt (alles in allem) zu wenden. Also - auch hier setzte wieder die tiefgründige Erkenntnis raumgreifend ein - wenn es keinen Weg zurück gibt, mußt du weiter gehn. Gesagt, getan. Und es wurde steiler und steiler. Doch als ich schon dachte: So, das wars, jetzt hängen wir fest, legte sich Berta noch einmal ins Zeug und zog sich, uns und Elsa auf die Bergkuppe - und hinein oder besser hinauf auf einen wunderschönen Platz mit mongolischen Jurten (leider schon alle vermietet), Wald und einer Luft, so sauber wie ... na, eben sauber sein kann.

Wir schliefen in dieser Nacht - wieder begleitet von Dauerregen - wie die Steine. Ich träumte Steinträume und hatte überhaupt das Gefühl, das der massive Fels unter mir mich irgendwie wieder zuu mir und auf den Boden brachte. Hier hätte ich noch Tage bleiben können.

Aber der Vorwärtsdrang ist noch nicht von uns abgefallen, dass wird wohl noch ein bisschen dauern. Das Getriebe, das mich durch die letzten Monate gebracht hat braucht noch Zeit, um auszulaufen, also fuhren wir zurück auf die Straße, die jetzt endlich einmal schnurgerade und vor allem eben vor uns lag. Berta lief zur Höchstform auf und brachte 100 km/h zu stande, was uns wohl ans Meer getragen hätte, wären die Franzosen nicht so verliebt in Kreisel. Kreisel rein, Kreisel raus, 200 m fahren, wieder kreiseln. Und das mit einem 6m Wendekreis und einer Beschleunigung von 0 auf 20 km/h in 30 min. ... Nun ja, es geht ja um Verlangsamung ...

Und diesmal durfte ich verstehen - oder besser gesagt - er-fahren - was es bedeutet, ein Ziel zu haben. Hatten wir die voran gegangenen Tage immer in gutem Kontakt mit unserer körperlichen Verfassung und den Informationen der inneren stimme entschieden, wann es genug war - so entflammte plötzlich der Ehrgeiz. Ach, "nur" noch 77 km, das schaffen wir - und vergaßen, dass wir schon 250 km gefahren waren, Berta glühte und ich eigentlich reif für einen Latte und mein Tagebuch war. Aber der Mesnch ist eben vergeßlich, also fuhren wir weiter - mittern hinein in die nächste kosmische Lehrstunde die da hieß: Wozu nur ein Straßenschild machen, wenn man drei haben kann. Dass allerdings eben jenes dritte wieder hianuf auf die Berge und hinein in eine unbeschilderte Pampa führen würde - who cares! Führen doch alle Wege einmal nach Rom.

Doch nein, dieses nicht, sondern mitten hinein in ein samstag-nachmittäglich alles andere als verschlafenes kleinfranzösisches Dorfnest mit einem Verkehr, der tatsächlich an Rom erinnerte. Nur blöd, dass mich plöztzlich, mitten im Dorf die Erkenntnis überfraute, dass wir uns heillos verfahren hatten. Und jener fatale Mechanismus einstetzte, den alle langjährigen AutofahrerInnen kennen: Ehe ich mcihs versah, hatte ich links eingebogen, um zu wenden. Auf einer Straße, die knapp 20 m breit war. Luxeriös unter normalen Umstaänden - fatal mit 12 m Gesamtlänge. Ergo: Wir saßen fest. Was natürlich in genervten Schreiereien und gegenseitigen Schuldzuweisungen mündete. Doch scheints, war diese Reise ersonnen, um mich das Rückwärtsfahren andersherum zu lernen. Wolfgang hielt den Verkehr an, der hielt tatsächlich still - und ich wendete in filigraner Kleinstarbeit und binnen 30 min. tatsächlich unseren Wagen samt Anhang. Für irgend etwas muß das jahrelange Einfädeln von Fäden in engmaschige Nadeln doch gut gewesen sein.

Aber das Abenteuer war noch nicht zu ende. Zwar erreichten wir unser Ziel an der Ardeche - doch galt es noch zu erkunden, dass Campingplatz nicht gleich Campingplatz ist: Währrend die einen mit 500m Wendeschleifen udn halben Autobahnen durchs Gelände aufwarten, sind die anderen Übungsparcours für Feinfädler. Ja, ihr habt richtig gelesen. Und welchEn traf es wohl wieder ? Bingo!

Aber diesmal scheiterte auch ich. Und zwar an unserem Wohnwagennachbarn, der partout der Ansicht war, der schon zweimal umgesetzte Wohnwagen müsse noch einmal gewendet werden, damit die Tür auf der richtigen (!) Seite sei. In rasendem Französisch, geprägt vom Couleur tief empfundener Autorität wies er mich an, noch einmal das sehr übersichtliche Gelände zu umrunden um von der anderen Seite kommend die richtige (!) Seite zu wählen. Tja, da war sie wieder, die frühkindliche Prägung, erworben in jahrelangem Frontalunterricht: Wenn einer nur mit ausreichend Vehemenz auf dem "richtig" beharrt, dann folgen alle wie die Schafe. In diesem Falle auch ich - nur, um sofort und unmittelbar zwischen zwei Bäumen fest zu hängen. Da ging nichts mehr - und ich weiß nicht, ob mir hier meine Näharbeiten wirklich hilfreich gewesen wären. Aber zum Glück gibt es patente Franzosen, die zwar für gewöhnlich alle durcheinander schreien - "Vorwärts!"; "Nein, rückwärts!"; "Wie, rückwärts? Bist du denn blind, du eingeborener Wurm eines faulenden Apfels, wenn sie rückwärts fährt, dann ..."; "HAAAAAlt!"; "Oje, jetzt hängt sie fest, siehst du, wäre sie doch rück..." und so weiter, und so fort - also, sich eben übernieten an akustischem, in den Wahnsinn treibenden Anweisungen, aber eben im schlimmsten Falle einen Nachbarn mit Traktor haben, der dann kurzerhand Elsa auf den Berg zog, auf dem sie jetzt steht. Ob ich sie allerdings da jemals wieder runter kriege ... nunja, da gibt es betsimmt wieder einen Nachbarn.

Ich jedenfalls sitze inzwischen bei meiner Freundin Ana am Pool, genieße Strom und vor allem den Kühlschrank (geschmolzener Joghurt ist wirklich nur was für FeinschmeckerInnen!) und das unvergleichliche Gefühl, losgegangen, schon viel erlebt und vor allem schon viel gelernt zu haben. Jetzt gilt es erst einmal, wieder ein bisschen runter zu kommen. Langsamer zu werden, gedanklich und vor allem gefühlt. Damit ich da bin, wo ich bin.

Und die hilfreichen Geister uns weiter führen und geleiten können. Alles eine Frage der Nicht-Einmischung. Aber die will eben auch gelernt sein. Venceremos!

4 Kommentare:

  1. Liebe Astrid,

    wow, das ist ja superabenteuerlich.

    Ich wünsche Dir und Euch auf Eurem weiteren Weg ein gutes Vorankommen!

    Herzliche Grüße
    Evelyn A.M.

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  2. Hallo Astrid, da kommen schon beim Lesen meine Schweissdrüsen in Wallung, ich bin ja schon mit schlichtem rückwärts Einparken überfordert, und stehe da schon mit einem normalen Auto kurz vor einer Panikattacke
    Bussi
    Andrea auch A.M.

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  3. petra wunderlich14. Juni 2010 um 18:25

    Hi Ihr DREI,

    liebe Grüsse von uns 3.

    Denke das wird alles nocjh viel besser für Euch - Hut ab wie ihr das alles so macht.


    Gruss
    Petra+Co

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  4. Hallo ihr Reisenden
    herrlich wie schön du Astrid das so beschreibst!
    Erinnert mich an manche Reise in meinem Leben - Hut ab vor eurem Mut und eurem Vertrauen - hoffe ich komme blad auch wieder los.
    Alles Liebe und weiterhin gute Fahrt
    Marion

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